Mittwoch, 21. August 2019

Ankunft in Mexiko - Warum eigentlich Mexiko? Kulturschock?

Es war nun so weit...Tag X stand an: Mein Flug nach Guadalajara und somit mein 5-monatiger Aufenthalt in der Stadt des Mariachis und des Tequilas stand kurz bevor.
Viele Freunde und Familienmitglieder waren spürbar überrascht und besorgt, als sie von meinem Vorhaben hörten, ein Auslandssemester in Mexiko zu machen. Drogen und Gewalt sind Stichworte, die vielen zuerst in den Sinn kommen, wenn sie an dieses Land in Zentralamerika denken.

Das ist doch zu gefährlich für ein Mädchen wie dich, mit blauen Augen und dunkelblondem Haar."

Doch solche Warnungen und gut gemeinten Ratschläge gingen mehr oder weniger durch ein Ohr rein und durch das andere wieder raus, denn das war nicht das, was ich mit Mexiko in Verbindung brachte. Natürlich war ich mir der Gefahr bewusst, doch für mich stand viel mehr die Kultur Mexikos im Vordergrund. Ich stellte mir ein Land mit vielen herzlichen Leute vor; viele Feste, wo getanzt werden würde; der berühmte Dia de los Muertos"; atemberaubende Strände und natürlich auch die ganze kulturelle Geschichte, die ein so großes Land wie Mexiko mit sich bringt.

Ich möchte nicht verleugnen, dass ich nicht Respekt oder gar ein wenig Angst vor diesem Schritt hatte, besonders aufgrund der Sprache, die ich seit meiner Schulzeit nicht mehr gesprochen hatte, aber um Luca Zucchi, einen sehr guten Freund von mir aus Köln, zu zitieren: ...muss man manchmal aus seiner Komfortzone ausbrechen." Und ich wusste, dass dies der richtige Weg für mich sein würde, denn ich hatte das Verlangen, eine neue Sprache auf ein neues Level zu bringen. Und ich wusste, dass mich Spanisch herausfordern würde. Zudem würde mich die mexikanische Mentalität und Kultur auch mal in Situationen versetzen, die ich nicht gewohnt war oder die mich manchmal auch nerven würden. Doch solche Erfahrungen sind meiner Meinung nach wichtig, um als Mensch selbst zu wachsen und seinen Horizont zu erweitern.

Nun aber endlich zu meiner Ankunft in Mexiko. Nach einem mehr oder weniger chaotischen Flug mit Zwischenstopp in Mexiko-Stadt wurde ich von einer 5-köpfigen Familie am Flughafen Guadalajaras empfangen. Familie Sanchez bestand aus Mama Lupita, Papa Paco und den Kindern Denisse, Sara und Paco Jr., die alle zwischen 18 und 23 und somit ungefähr so alt wie ich sind.

Wieso wurde ich denn von einer Familie abgeholt, könnte man sich fragen? 
Berechtigte Frage. Meine alte Spanischlehrerin Frau Erdmann hat mir bei dem Bewerbungsprozess für mein Auslandssemester geholfen und mir angeboten, da sie ursprünglich aus Mexiko stammt, Freunde von ihr zu kontaktieren, die zufällig in Guadalajara wohnen, und zu fragen, ob ich dort vorübergehend unterkommen könnte.
Ich meinte daraufhin, dass es die ersten Tage bestimmt nicht schlecht wäre, eine feste Unterkunft zu haben, bevor ich vor Ort etwas Eigenes finden würde. Familie Sanchez hatte auch nichts dagegen und so kam es schließlich dazu, dass ich netterweise sogar vom Flughafen abgeholt wurde. Etwas überrascht war ich dennoch, denn ich wusste bis dato gar nicht, dass Lupita Ehemann und Kinder hat.

Auf dem Rückweg begannen dann auch schon rege Konversationen, zumindest insofern ich das sprachlich konnte. Die anderen haben mir super viel erzählt, sei es über die Stadt, das Land oder die Leute. Natürlich waren sie auch ganz neugierig, was ich so zu erzählen hatte und so konnte uns nur der Stopp an der besten Taqueria Guadalajaras unterbrechen. Tacos habe ich zum ersten Mal in den USA kennengelernt. Ein frittierter und geformter Tortilla mit Fleisch, Sour Cream, Käse, Salat und Tomate. Doch das hatte rein gar nichts mit dem ursprünglichen Taco aus Mexiko zu tun.
Allein die ganzen verschiedenen Fleischarten waren überfordernd. Ich vertraute Denisse und sie bestellte mir etwas zum Probieren. 3 weiche Fladen aus Mais, belegt mit Fleisch, wurden mir gereicht, viel viel kleiner als z.B. Wraps, die wir aus Deutschland kennen, und konnten dann von mir nach Belieben mit Zwiebeln, Koriander und Salsa verfeinert werden.
Wow. Obwohl mir die Kombination zunächst komisch vorkam, wurde ich vom Geschmack aus den Socken gehauen. Dazu ein agua de arroz" und ich war glücklich. Das deutsche Mädchen zum ersten Mal in einer Taqueria, eine schiere Sensation. Von mir wurden Fotos beim Essen gemacht (würde in Zukunft noch öfter folgen), Fotos mit den Töchtern und schließlich wollten auch die Köche ein Foto mit mir...total witzig.
Dennoch geschafft vom Tag war ich froh, als wir das Zuhause erreichten...und was für eins. Wow, zum zweiten Mal. Ein riesiges Haus in einer total schönen und sauberen Anlage mit anderen Häusern, die vorne am Gate durch Sicherheitsmänner überwacht wurde. Ein eigenes Zimmer und sogar ein eigenes Bad wurde für mich hergerichtet und ich war mehr als baff von den Ereignissen des heutigen Abends. Ein schmales Bett oder die Couch hatte ich mir als Schlafplatz vorgestellt, aber nicht sowas.
Glücklich und voller Vorfreude schlief ich schließlich ein, gespannt, was mich in den nächsten Tagen so erwarten würde.

Die Kathedrale Guadalajaras

Am nächsten Tag nahmen mich Denisse und Sara direkt mit in einen Walmart, wie in den USA! Also nicht ganz die gleichen Produkte, aber schon echt nah dran. Wir besorgten eine SIM-Karte für mein Handy und ich war froh, dass mir von Leuten geholfen wurde, die sich hier mit allem auskannten. Nachmittags haben wir gegrillt, u.a. gab es auch riesige Tomahawk-Steaks, so groß, wie ich noch nie ein Steak gesehen habe, 1 kg schwer. Wir lernten uns alle besser kennen und ich war in dem Moment so dankbar, bei einer so netten mexikanischen Familie zu sein, anstatt mich eventuell mit Kakerlaken im Hostel herumzuquälen.

Nur Mama Lupita fehlt auf dem Bild vom gemeinsamen Grillen
Allerdings wurde mir langsam klar, dass wir zwar in Guadalajara waren, aber nicht wirklich nah am Stadtzentrum. 40 min waren es mit dem Auto zum Plaza de Armas und mit dem Bus noch viel länger, so dass dies meine Pläne auf Wohnungssuche zu gehen erheblich erschwerte.

Das berühmte "Teatro Degollado", wo häufig auch kostenlos Veranstaltungen stattfinden

Im Laufe der Woche habe ich viel mit den Frauen des Haushalts unternommen, während Paco und Paco Jr. zur Arbeit gingen. Wir waren im Supermarkt, in der Stadt, in der Mall mit Freunden von Denisse usw. Abends sind wir alle zusammen mal Tamales essen gegangen und andere Male wurde mir voller Stolz die mexikanische Küche präsentiert. Meistens wurde ich dabei auch fotografiert, damit ich auch später noch weiß, was ich da eigentlich gegessen habe.
Eins der vielen Fotos von mir mit mexikanischem Essen. Hier: Pozole
Mexikanisches Essen ist so vielfältig und ich soll immer alles mal probieren, obwohl ich oft passen muss, weil ich einfach keinen Hunger mehr habe oder ich manche Sachen aus eher ethischen Gründen nicht essen will.
Aber das ist kein Problem, alle sind immer total freundlich, wir reden und lachen viel. Das hilft nicht nur meinem Spanisch enorm weiter, sondern gibt mir auch ein sehr heimisches Gefühl. Manchmal versuche ich mich dann auch mal an meinen Kochkünsten, um etwas mehr oder weniger Deutsches zu zaubern. 

Je weiter die Woche voranschritt, desto präsenter wurde der Gedanke in meinem Kopf, eventuell doch erstmal ein wenig hier wohnen zu bleiben, zumal die Familie Sanchez mir das mehrmals anbot und meinte, dass sie sich freuen würde, zeitweise eine deutsche Tochter zu haben. Der Weg zur Uni ist zwar ätzend lang, aber mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich erstmal bleiben sollte, in einer sicheren Umgebung und bei Menschen, die mich willkommen hießen.

Am Wochenende vor Unistart hatte Sara ihren 21. Geburtstag, weshalb ich einen Kuchen für sie backte und wir alle zusammen essen gegangen sind.

Geburtstagskind Sara (in der Mitte) wird 21
Am darauffolgenden Tag sind wir zu Pacos riesiger Familie nach Ocotlán gefahren, bei denen Familienzusammenhalt ganz weit oben steht. Ich erlebte ein etwas anderes Leben, als das, was wir in einer Großstadt wie Guadalajara führten, und lernte abermals die mexikanische Gastfreundschaft und Herzlichkeit kennen. Wir pflückten Früchte aus dem Garten, die ich noch nie gesehen, geschweige denn probiert hatte, und ich lernte viele weitere freundliche Menschen kennen.

12. August 2019. Offizieller Start des Wintersemesters 2019 an der Universidad de Guadalajara. Zwar wurde mir keine Uhrzeit genannt, aber doch wenigstens ein Ort, an dem ich an besagtem Montag aufkreuzte. Lennart, ein anderer SpoHo-Student aus Köln, der allerdings Lehramt studiert, war auch schon da. Wir hatten im Vorfeld schon Kontakt, uns heute allerdings das erste Mal gesehen.
Im Büro für internationale Studenten war man etwas überfordert mit unserem Erscheinen und so wurden wir zu einem anderen der insgesamt 6 Centros in der Stadt geschickt. Dort wurden wir zwar total lieb empfangen, wurden allerdings auf Mittwoch vertröstet, wo es dann eine offizielle Begrüßung für alle Austauschstudenten des Centros CUCS (Centro de las Ciencias de la Salud) geben sollte.

Die Sporthalle der UdeG
Am folgenden Mittwoch gab es tatsächlich eine Infoveranstaltung für uns, bei der wir erfahren hatten, dass wir neben einer Reihe Medizin- und Psychologiestudenten, die einzigen beiden Austauschstudenten der Studienrichtung "Cultura Fisica y Deporte" (Sport) waren. Das hätte ich zwar nicht erwartet, jedoch war dies nicht weiter schlimm, da sich deshalb sehr gut um uns gekümmert wurde. Yair, ein mexikanischer Student im 9. Semester, begrüßte und begleitete uns zum Campus CUCEI, wo alle unsere Kurse stattfinden würden, da sich dort alle Sportanlagen befinden. Er war total hilfsbereit und konnte uns auch bei der Erstellung unseres Stundenplans super helfen. Für Austauschstudenten würde die Anwesenheitspflicht erst ab kommendem Montag gelten, so dass wir diese Woche noch zur Orientierung hatten.
Zwei Tage später fand eine weitere Orientierungsveranstaltung statt, dieses Mal aber für alle "Intercambios" der UdeG. Insgesamt etwas über 1000 Austauschstudenten waren wir dieses Semester an der Universidad de Guadalajara, einer Universität mit fast 120.000 Studenten. Die meisten der Intercambios waren spanischsprachig, viele Kolumbianer, aber auch sehr viele Mexikaner aus anderen Staaten. Deutsche haben Lennart und ich auch getroffen, nur eben nicht ganz so viele wie Leute aus anderen Nationen. Mit Anni und Johanna, zwei Lehramtsstudentinnen, verstand ich mich auf Anhieb gut und so tauschten wir direkt Nummern aus.

Unsere Begrüßungsveranstaltung am Campus CUCEA
Unsere Begrüßung umfasste allerdings nicht nur grundlegende Infos, sondern auch etwas mexikanische Kultur. Wir bekamen einen Turnbeutel der UdeG, Tacos zu Mittag und Mariachis (eine typisch mexikanische "Band") traten auch noch auf. Sowas erwartet hatte ich überhaupt nicht, weil ich generell keine hohe Erwartungen an jegliche Organisation hier in Mexiko habe. Doch umso schöner wurde ich dann positiv überrascht.

Typisch für den Staat Jalisco: Mariachis

Mexiko ist definitiv anders  aber aufregend anders. Und das mag ich so! Ich freue mich unheimlich auf die nächsten Monate und bin auf jeden Fall gespannt, was sie für mich bereithalten werden.


P.S.: Abschließend möchte ich mich noch herzlich bei Frau Maria Enriqueta Erdmann-Martinez bedanken, die mir diese wundervolle Erfahrung überhaupt erst ermöglicht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen